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Ausflüge und Reisen » Provence (Juni-Juli 2019) » „Nuts is not the one who climbs the Ventoux, but really nuts is the one who does it again!“

„Nuts is not the one who climbs the Ventoux, but really nuts is the one who does it again!“

Bereits seit Jahren hegte ich den Wunsch, einmal mit dem Rad auf den Mont Ventoux zu fahren. So oft hatte ich den kahlen Berg bereits im Rahmen der Tour de France im TV gesehen und mich direkt in ihn verliebt. Mich reizt vor allem die Landschaft des Berges, die ihn so einzigartig macht. Bei unserem Flug nach Mallorca 2017 konnte ich den Ventoux direkt vom Flugzeug aus erkennen. Um so glücklicher war ich, als wir das tolle Ferienhaus in der Provence fanden. Ich witterte meine Chance.

Einzig mit dem eigenen Rad wurde es nichts. Unser Familienauto ist für das Urlaubsgepäck und ein Rad einfach zu klein. Blieb mir also nur ein Mietrad. Bereits von zu Hause aus suchte ich nach einem geeigneten Anbieter und wurde auch relativ schnell fündig. Ich stellte eine Anfrage: Rad für 5 Tage, Rahmengröße 58 und einer eventuellen Lieferung zur Ferienwohnung. Die schnelle Antwort sagte mir ein passendes Rad zu einem annehmbaren Preis zu. Nur die Lieferung war nicht möglich. Ich musste das Rad also selbst abholen. Aber das war auch nicht wirklich ein Problem, das Gepäck war da ja nicht mehr mit dabei.

Ebenfalls von zu Hause aus buchte ich mich bei den Cinglés du Mont-Ventoux ein. Stefan erzählte mir vom Club der Verrückten. Mitgliedsvorraussetzung: 3 mal auf den Ventoux klettern. Über jede Zufahrtsstraße einmal. An einem Tag. Echt verrückt. Ich meldete mich an und ein paar Tage später erhielt ich meine Stempelkarte per Post. Meine erste Stempelkarte. Aufregend.

Auf dem Weg zum Mont Ventoux.jpg

Radfahren in der Provence

Vor Ort das Abholen des Mietrades gestaltete sich völlig unkompliziert. Der Fahrradladen war etwa eine halbe Stunde mit dem Auto von der Ferienwohnung entfernt. Direkt nach dem Frühstück fuhr ich dort alleine hin. Der Verkäufer fragte mich was für Pedale ich gerne hätte und montierte sie. Anschließend stelle er mich kurz neben das Rad und schon war die Höhe des Sattels festgelegt. Pi mal Fensterkreuz. Bei der Montage meiner kleinen Rahmentasche in der Ferienwohnung stellte ich aber fest, das der Rahmen kleiner war. Nur 54cm. Die Tasche passte nicht und die beiden Trinkflaschen waren auch ungewohnt eng angeordnet. Bei der ersten kleinen Testrunde in der Provence überlegte ich, ob ich noch einmal wegen eines größeren Rads zur Fahrradvermietung fahren sollte. Die ersten Meter auf dem Rad fühlten sich komisch ungewohnt an. Aber ein paar Kilometer später war das Gefühl fast verschwunden. Ich fuhr das Rad also weiter.

Am nächsten Morgen fuhr ich dann die erste kleine Runde zum Eingewöhnen in die Berge. Über kleinere Straßen mit wenig Verkehr sammelte ich in etwa 1000 Höhenmeter. Der Asphalt war okay, aber auch nicht in einem berauschend guten Zustand. Es gab viele kleinere Risse und auch viele ausgebesserte Stellen. Auf der Fahrt traf ich dann auch auf die ersten anderen Radfahrer. Beim Umrunden einer Schlucht. Beim Bergauf fahren. Ich überholte mit einer Hand am Lenker und mit der zweiten Hand am Fotos machen. Ich war gut gelaunt, Berg fahren schien gut zu klappen.

Auf dem Rückweg bekam ich dann ein Problem. Die Straße, die ich mir ausgesucht hatte, wurde gerade saniert und es lagen gefühlt 5 Zentimeter hoch Splitt auf dem frischen Asphalt. Ich hatte Angst vor einer Panne. Vom Vermieter hatte ich nur so ein komisches Pannenspray bekommen, Dichtmittel und Druckluft in Kombination. Ich traute dem nicht wirklich. Meine Werkzeugbox mit Ersatzschlauch war zwar auch mit dabei, aber ob der Schlauch überhaupt passte. Ich wollte es nicht ausprobieren. Ein paar Kilometer später in der Abfahrt lag dann kein Split mehr. Dafür stand ich direkt hinter der Asphaltmaschine auf noch warmen Untergrund. Da drehte ich dann lieber um und suchte mir eine andere Straße. War dann zwar etwas länger. Aber ohne Panne.

Hinauf zum Ventoux

Ich hatte mir das Rad extra für 5 Tage ausgeliehen, damit ich mir den besten Tag, mit dem schönsten Wetter, für den Ventoux aussuchen konnte. Aber irgendwie war alles doof. Die ersten beiden Tage war ordentlich Wind und für die letzten drei Tage war eine Hitzewelle vorhergesagt. Ich entschied mich dann für den dritten Tag, den 26. Juni 2019. Half ja nichts, da musste ich irgendwie durch.

Sonnenaufgang hinter dem Mont Ventoux.jpg

Ich stand früh auf, so das ich bereits um 5:45 losfahren konnte. Es war noch dunkel. Die Sonne ging langsam auf. Die Temperatur sehr angenehm. Über Carpentras ging es in Richtung Beduin. Immer leicht bergauf, sehr leicht. Etwa eine Stunde lang konnte ich den Sonnenaufgang über den Ventoux beobachten. Und dann stand ich dann auch schon gut gelaunt am ersten Ortsschild. Beduin. Schnell machte ich ein Foto für den Nachweis. Ab hier war der Gipfel dann recht lange nicht mehr zu sehen.

Früh am morgen, gut gelaunt, am Ortschild von Beduin.jpg

Aufstieg Beduin

Direkt ab dem Ortsausgangsbild begann die Kletterei auf den Gipfel. Die Steigung war allerdings noch recht einfach. Ich ging es gemächlich an und direkt überholte mich ein anderer Radfahrer. Lila gekleidet auf einem Canyon Rad. Erinnerte mich optisch an Christian Hoell mit dem ich vor langer Zeit meinen ersten 200er gefahren bin. Ich verfranzte mich etwas in alten Erinnerungen. Kurz darauf wurde es steiler und ich überholte den Radfahrer wieder.

An der nächsten Kurve wurde ich dann aus meinen Gedanken gerissen. Schluss mit lustig. Die Steigung betrug nun über 10 Prozent und blieb auch die nächsten Kilometer genau so. Am Straßenrand stand ein Auto. Die Franzosen da drin öffnen die Fenster und feuern mich an. Das fühlte sich irgendwie gut an. Etwa einen Kilometer später schmiss ich meinen Plan über den Haufen. Ohne Zwischenpause kam ich den Berg nicht hoch. Ich wollte was essen. Aber bei der Steigung schaffte ich es nicht die Packung vom Riegel während der Fahrt zu öffnen. Also hielt ich kurz am Straßenrand, öffnete die Verpackung und versuchte den Riegel zu essen. Allerdings bekam ich ihn nicht runter, da es sich anfühlte als wenn ich mir eine Schaufel voll Sand in den Mund steckte. Dafür trank ich dann aber gleich eine von meinen Wasserflaschen leer. Gewichtsoptimierung…

Ich quälte mich weiter in Richtung Gipfel. Die Steigungsanzeige auf meinem Radcomputer zeigte die ganze Zeit quer diagonal nach oben. Keine Änderung in Sicht. So langsam machten sich Zweifel an meinem Vorhaben breit. Die Anzeige am Radcomputer machte mich fertig. Darum stellte ich sie kurzerhand einfach aus. Stattdessen zählte ich dann Bäume. Ich konnte mich wieder auf die schöne Natur konzentrieren. Das Radfahren fiel mir dann wieder leichter. Chalet Reynard. Das Zwischenziel war erreicht. Ab jetzt sollte es wieder etwas einfacher werden. Ich machte kurz Pause. Trank meine zweite Flasche Wasser, denn es war noch alles geschlossen. Ich versuchte wieder etwas zu Essen. Ging aber wieder nicht. Selbst die Gummitierchen wollten nicht runter. Ich steckte sie mir in die Trikottasche. Für unterwegs.

Straße zum Ventoux.jpg

Die letzten Kilometer zum Gipfel vergingen richtig fix. Beeindruckt von den Geröllflächen genoss ich die Fahrt. Ich war kurz vor dem Ziel meiner Träume. Am Straßenrand standen einige Sportfotografen, die jeden Radfahrer fotografierten und ihm anschließend eine Visitenkarte in die Hand drückten. Ich versuchte etwas auf dem Rad zu posieren. Unterlenker. Nur nicht all zu blöd schauen. Ich hatte Hoffnung auf ein schönes Erinnerungsfoto.

Und dann endlich der Gipfel. Ich war auf dem Ventoux. Auch hier war noch alles geschlossen. Allerdings liefen schon viele Radsportler umher. Ein Selfi mit dem Gipfelschild. Auch das war mein Ziel. Danach machte ich eine kurze Pause. Dabei fielen mir eine Gruppe von 3 Deutschen Radfahrern auf, die nacheinander den Gipfel erreichten. In Erinnerung blieb mir, wie einer den anderen fragte wie es denn war. Seine Antwort: „Leck mich am Arsch nicht noch mal.“ Später sollte sich herausstellen das die drei den gleichen Quatsch machten wie ich.

Aufstieg Malaucene

Es folgte die erste Abfahrt nach Malaucene, bei der ich mir Zeit lies. Fast mehr Zeit als beim Hinauffahren, denn ich machte unterwegs einige Fotopausen. Trotzdem machte mir die Abfahrt etwas Angst, denn ich konnte ja sehen, wie steil es nach unten ging. Da musste ich gleich wieder hinauf. Unten angekommen holte ich mir in einem Zeitungskiosk meinen ersten Stempel. Nun brauchte ich noch was zu Essen und neues Wasser. Da Essen nicht so recht klappte entschied ich mich für Flüssignahrung in Form von Cola. Diese bestellte ich mir in einem Restaurant. Auf die Frage nach Wasser wurde ich allerdings vor der Tür verwiesen. Ich sollte mir Wasser auf dem Brunnen nehmen. In Deutschland eigentlich undenkbar, in Frankreich aber bestes Trinkwasser. Ich füllte meine Flaschen und machte mich wieder auf den Weg nach oben. Zum zweiten Mal.

Der Anstieg von Malaucene war etwas einfacher zu fahren, als der erste von Beduin. Aber nur etwas und ich wusste nun durch die Abfahrt, was mich erwartete und außerdem war es mittlerweile richtig warm. Also nichts mit einfach. Trotz des Wetters waren sehr viele Radfahrer unterwegs. Die Straße wirkte etwas größer als die Straße von Beduin. Es gab sogar einen kleinen, extra abgetrennten Radstreifen. Auf dem hatte aber ein sadistischer Mensch, in regelmäßigen Abständen, die aktuellen Steigungsprozente auf den Asphalt geschrieben. Dabei wollte ich davon doch gar nichts wissen.

Je höher ich kam und desto lichter der Wald wurde, desto gnadenloser brannte die Sonne. Mein Trikot war komplett nass und ich fror. Ich hatte Angst vor einem HItzschlag. Daher fuhr ich 15 Minuten und machte dann eine kleine Pause. Dann die nächsten 15 Minuten radeln. Mit der Technik ging es mir noch richtig gut. Ich sah wie andere Radfahrer am Ende ihrer Kraft zu Fuß in Richtung Gipfel unterwegs waren. Ihre Schuhe waren noch in den Pedalen eingeklickt. Kurz vor dem Gipfel traf ich die 3 vom Morgen wieder. Ich schaffe es, einen von ihnen zu überholen und versaue dabei leider ein Gipfelfoto, da ich genau in der Höhe eines Fotografen vorbeifuhr. Sorry. Diesmal aber nicht mit Handy in der Hand.

Das zweite Mal auf dem Gipfel. Auch oben war die Hitze nicht wirklich erträglich. Ich holte mir beim Souvenirladen meinen Stempel und natürlich wieder Cola. Mit der versuchte ich mich zwischen 2 Souvenirständern im Schatten zu verstecken. Dabei traf ich einen Hund mit dem ich mich sofort anfreundete. Ja, ich unterhielt mich mit dem Hund. Wir machten ein paar Selfis. Aber dann wollte ich wieder weiter. Der Hund blieb auf dem Berg.

Mein Hunde-Freund auf dem Gipfel vom Mont Ventoux.jpg

Aufstieg Sault

Die Abfahrt nach Sault ging ich mit einem Grinsen im Gesicht an. Ich wusste, das ich die beiden steilsten Aufstiege geschafft hatte. Jetzt folgte quasi nur noch die Kür. Nur noch einmal den Berg hoch. In Sault holte ich mir den vorletzten Stempel bei der Touristeninformation, bei der es direkt vor der Tür einen Trinkwasserbrunnen gab. Ich entsorgte mein heißes Restwasser und trank direkt 2 Flaschen leer, bevor ich die Flaschen gefüllt wieder am Fahrrad verstaute. Und dann ging es auch schon wieder hinauf. Ein sanfter Anstieg führte mich, vorbei an Lavendelfeldern, bis zum Waldrand.

Felder kurz vor Sault.jpg

Dort machte ich die erste kleine Pause. Die Temperatur war mittlerweile auf 45 Grad gestiegen. Ich erinnerte mich an die Gummitierchen vom Morgen und griff in meine Trikottasche. Aber das einzige was ich darin fand war eine klebrige, zähe Flüssigkeit. Ihhhh … ich versuchte den gemolzenen Brei so gut es geht zu entsorgen. Schlümpfe vertragen also keine 45 Grad. Mir ging es aber nicht wirklich besser. Mit der bewährten Fahren – Pause – Fahren – Pause – Fahren Technik schraubte ich mich langsam dem Gipfel entgegen. Nur nicht überhitzen.

Ich ziemlich fertig.jpg

Es waren kaum noch Radfahrer unterwegs. Beim Chalet Reynard kaufte ich mir noch einmal 2 Dosen Cola. Es fehlte nun nur noch das kleine Stück, welches mir am morgen so gefallen hatte und auch gut zu fahren war. Diesmal fiel es mir aber deutlich schwerer. Die Fotografen waren nicht mehr da. Pause machte dort auch nicht wirklich Sinn, da es einfach keinen Schatten gab. Einen kleinen Baum am linken Straßenrand fand ich aber doch. Dort legte ich mich für ein paar Minuten hin.

Cinglés du Mont-Ventoux Schild am Rad.jpg

Aber dann ist es endlich geschafft. Zum dritten mal auf dem Ventoux. Ich lies mich von ein paar Touristen vor dem Gipfelschild fotografieren. Die Souvenirstände wurden gerade abgebaut. Ich gönnte mir noch eine weitere Cola. Meine Sieger-Cola. Den ganzen Tag über hatte ich rein gar nicht gegessen. Nur Cola und Wasser fand den Weg in meinen Magen. Meine mitgenommenen Kekse, die ich 3 mal den Berg hinaufschleppte, verkaufte ich später als besondere Spezialität: Ventoux-Kekse. Eine Packung davon schaffte sogar noch den Weg nach Berlin.

Die letzte Abfahrt. Noch einmal den Weg hinunter, den ich am Morgen als erstes bezwungen hatte. Ohne Fotos Stopps, ich wollte einfach nur noch zurück zum Ferienhaus. Meinen letzten Stempel holte ich mir bei einer Fahrradvermietung. Der Verkäufer sprach mich an: „Genug?“ – „Ja, reicht für heute.“ Ab Beduin hatte ich dann noch etwa eine Stunde Fahrzeit bis zum Ferienhaus. Fast nur noch Bergab. Kaum dort, ging ich dann auch direkt in den Pool und schaute glücklich und ungläubig zugleich zum Gipfel des Ventoux hinauf.

Ich zum dritten mal auf dem Gipfel.jpg

Meine erste Stempelkarte.jpg

Epilog

Nach der großen Tour hatte ich das Rad noch für weitere 2 Tage, die ich natürlich auch noch nutzten wollte. Allerdings hatte ich am Tag 1 nach dem Ventoux keine Lust auf Berge. Also fuhr ich morgens eine Runde nach Avignon. Zur berühmten Brücke, vorbei an sehr vielen Lavendelfeldern. Richtig schön. Auf meiner letzten Radfahrt in der Provence fuhr ich dann allerdings doch wieder in Richtung Ventoux. Allerdings fuhr ich nur am Fuß des Berges von Beduin nach Malaucene. Dabei sammelte ich noch einmal ein paar Höhenmeter. Mit dem letzten Blick auf den Ventoux verabschiedete ich mich mit einem „Auf Wiedersehen!“. Es war anstrengend, aber doch irgendwie toll. Ganz sicher das härteste was ich bisher gefahren bin. Aber ich will noch einmal, wahrscheinlich mit dem eigenen Rad. Mit dem Berg verbindet mich nun eine Hass-Liebe.

Lavendelfeld in der Provence.jpg

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