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Teil 3: Ein Schritt nur, vor uns ist die See

Wie immer vor Radtouren wachte ich auch an diesem Tag genau 10 Minuten vor dem Wecker auf. Nach einem kurzen Check auf dem Handy stand ich auf und machte mich über die Reste des Zimmerpicknicks her. Was zum Abendbrot geht, kann als Frühstück auch nicht schlecht sein. Eigentlich schon komisch, dass es Reste gab. Aber egal, gegessen wurde es ja trotzdem.

Maren erhielt von Mark Humme Sprachnachrichten über WhatsApp, die sein komisches Verhalten am vorherigen Abend erklärten. Er fuhr bis Enschede und suchte sich dort ein Hotel. Er wurde nicht so recht fündig und entschied sich für ein B&B, welches er quasi bereits vor 15km passiert hatte. @Mark: Ist vielleicht ein überheblicher Pro-Tipp, aber mit etwas besserer Vorbereitung hättest du unnötige Fahrerei vermeiden können.

Mit unseren 280km, die wir am ersten Tag fuhren, waren wir richtig zufrieden. So hatten wir uns bereits einen kleinen Puffer rausgefahren, falls etwas Unerwartetes passieren sollte. Trotzdem entschieden wir uns, am zweiten Tag etwa eine Stunde früher loszufahren, um etwas mehr Fahrzeit zur Verfügung zu haben. Wie weit uns das bringen sollte, war eigentlich egal. Ich hatte mir allerdings vorgenommen, an diesem Tag bereits das Meer zu sehen.

Wir verließen kurz vor 7 Uhr unser Hotelzimmer. Maren wieder mit ihrem modischen Mülltütchen und ich mit vollgepackten Armen. Wir befreiten unsere Räder aus der Garage und packten unsere Taschen und schon waren wir wieder unterwegs. Und kurze Zeit später überholten wir direkt ein anderes Team. Die Stimmung war sehr gut.

Meine Frau schickte mir währenddessen immer mal wieder Screenshots von der Tracking-Seite. Aber nicht weil uns unsere Position in der Teamwertung interessierte. Wir wollten wissen, ob sich bei uns in der Nähe andere RATN-Fahrer aufhielten, denen man mal „Hallo“ sagen konnte. @AdventureBikeRacecing: Die Bedienung der Trackingseite auf dem Handy ist alles andere als gut. Da besteht Potential zur Verbesserung.

Bereits am Vormittag entdeckten wir in einem Dorf einen riesigen Holzschuh, den wir bereits von RATN Fotos aus dem Vorjahr kannten. Hier mussten wir natürlich auch anhalten. Ich war noch nicht einmal richtig vom Rad runter, da war Maren auch schon auf bzw. in den Holzschuh geklettert. Ich packte die Kamera aus, stellte den Selbstauslöser ein und machte ein paar lustige Fotos. Da es wohl nicht so gut ausgesehen hätte, wenn wir RATN hätten abbrechen müssen, weil ich vom Holzschuh gefallen bin, blieb ich lieber einfach davor stehen. Und während wir da so rumalberten, überholte uns das andere Team wieder. Dabei lachten sie uns an oder aus. Wir winkten und dachten: „Ach wir haben euch eh gleich wieder.“

Holzschuh-Zwangspause

Kurz darauf überholten wir eine lustige Rentnergruppe, teils mit normalen Rädern, teils mit E-Bikes. Maren erinnerte mich an meinem Profi-Vertrag und fragte, ob die Gruppe nicht was für mich sei. Ich wollte mich dann direkt dort anschließen und natürlich auch ein Foto davon machen. Da sie aber kaum in der Lage waren geradeaus zu fahren, gelang mir nur dieses schlechte Bild. Auch hier klappte es also nicht mit meinem Vertrag. Schade.

Die niederländische Rentner-Nationalmannschaft

Gegen Mittag sprachen wir davon, uns langsam aber sicher irgendwas zu suchen, wo wir uns was zu Essen gönnen könnten. Ich vermutete, dass dies in den Dörfern eher schwierig werden würde. Aber nur ein paar Kilometer später standen wir vor einer Dorfbäckerei. Laut Schildern an der Tür bereits 100 Jahre da. Für mich fühlte es sich aber so an, als wenn sie gerade erst extra für uns dort „hingestellt“ wurde.

Wir nahmen die 20 Euro in die Hand, die wir am ersten Tag durch den Umweg gespart hatten und deckten uns mit Kuchen und Brötchen ein. Dazu noch für jeden einen Kaffee. Vor der Tür, unter einem Baum, war eine Bank zum Sitzen. Dort machten wir es uns gemütlich und vernichteten die eben gekauften Lebensmittel. Als der Kaffee leer war, kam die Bäckerin und schenkte uns nach. Wenn es nicht so kalt gewesen wäre, dann würden wir wohl immer noch da sitzen. So schön war es dort.

Bäckerei Slatman mit Dorfhund

Plötzlich wurde das Wetter dann deutlich schlechter und es fing an zu regnen. Als der Regen immer stärker wurde entschieden wir uns dafür, unter einem Baum unsere Regensachen anzuziehen. Dabei passierte mir ein Missgeschick, von dem ich die restliche Fahrt was hatte. Beim Überziehen der Überschuhe öffnete ich aus Versehen den Drehverschluss meines rechten Schuhs. Da ich es nicht bemerkte, fuhr ich quasi einen halben Tag lang mit offenem Schuh und dadurch scheuerte ich mir den Hacken und auch den Spann wund. Profi halt. So wird das wohl auch nichts mit meinem Vertrag.

Aber ich war soweit ein Profi, dass ich meine Regensachen deutlich vor Maren angezogen hatte. Ich war bereits fertig, da kämpfte sie noch damit, ihre Regenjacke aus der Verpackung zu befreien. Fingernägel waren wohl zu kurz. Ich nutzte die Pause dann noch, um den Riegel zu essen, den Frank (ein Arbeitskollege) mir vor der Fahrt geschenkt hatte. Schönen Dank dafür. Trotz Regen war die Stimmung allerdings immer noch sehr gut. Und sie wurde schnell noch besser, da der Regen auch schnell wieder vorbei war.

Danke Frank!

Auf Facebook hatten wir gesehen, dass in der Festung Bourtange von anderen Fahrern Fotos gemacht wurden. Als wir dort ankamen, war dort allerdings keiner mehr. Also machten wir das, was wir bereits nahezu perfektioniert hatten. Wir machten unsere eigenen Bilder.

Festung Bourtange

Am späten Nachmittag machte der Track dann einen ersten kleinen Bogen in Richtung Westen. Wir bekamen einen kleinen Vorgeschmack dessen, was uns die nächsten Tag erwarten würde. Gegenwind. Viel Gegenwind. Sehr viel Gegenwind und wahrscheinlich noch mehr Gegenwind. Hier etwas von der Küste entfernt war es noch erträglich. Aber wir merkten schon, dass es nicht mehr so gut voran ging.

Schön, aber noch nicht das Meer

Auf einer langen Geraden sah ich dann am Horizont einen kleinen gelben Fleck. Ich vermutete, dass dies ein weiterer RATN Fahrer sein könnte. Ab dem Moment war ich dann motiviert. Ich lege mich auf die „Stäbchen“ und versuchte den gelben Motivationspunkt einzuholen. Was dann auch relativ schnell gelang. Und ja, es war ein RATN Fahrer.

Ich redete mit ihm. Oder vielmehr ich versuchte es. Ich wusste ja, dass mein Englisch alles andere als gut ist. Aber da versagte ich komplett. Ich wollte einfach nur sagen, dass ich an dem Tag noch gerne das Meer sehen wolle. Aber mir fiel einfach nicht ein, was Meer auf Englisch heißt. Also umschrieb ich es. Irgendwie mit Händen und Füßen und so wie ich mich kenne mit Vokabeln aus einer Handvoll verschiedener Sprachen. Ich Vollpfosten … aber immerhin hatte ich mich getraut ihn anzusprechen. Komfortzone erfolgreich verlassen. Ich hätte auch genauso gut schweigend an ihm vorbei fahren können.

Kurz vor Groningen buchten wir in einer kurzen Pinkelpause unser Hotel. Wieder klappte es problemlos. Wir wollten bis kurz nach Eemshaven zu dem Hotel „Dijkzicht Logies“ fahren. Und während wir so am Buchen waren, überholte uns wieder mein Motivationspunkt. Das Spielchen begann also von vorne.

Maren organisiert das Hotel für die Nacht

Bisher verlief der Track an allen größeren Städten vorbei. Durch Groningen mussten wir aber fast direkt durchs Zentrum. Das erste Mal hieß es für uns Stop and Go von Ampel zu Ampel und wir erfuhren zum ersten Mal, wie viele Menschen in den Niederlanden mit dem Rad unterwegs sind.

Maren erzählte mir, dass Stefan (ein gemeinsamer Freund von uns) ihr den Auftrag gegeben hatte, ihm eine hübsche Holländerin mitzubringen. Von mir wollte er einfach nur ein Radtrikot in den Farben der niederländischen Fahne. Vermutlich weil er meinem Stil nicht traut. Jedenfalls trafen wir nur just ein paar Momente später auf eine leicht bekleidete Holländerin, die bestimmt was für Stefan gewesen wäre. Aber da ihr Rad fürchterlich am Quietschen war, weigerte ich mich sie mitzunehmen. Sorry Stefan. Vielleicht nächstes Mal.

Auch Traktoren wurden einfach so überholt

Kurz darauf erreichten wir die Küste. Ich fühlte mich wie in Friedrichskoog, dem Ort an der Nordsee, in dem meine Eltern ein kleines Ferienhaus besitzen. Das flache Land, die vielen Kanäle, die Bauernhöfe mit den SB-Verkaufsständen vor der Tür, die vielen Möwen und auch die salzige Luft. Alles kam mir sehr vertraut vor. Selbst das Wetter war sehr vertraut, denn es fing wieder an zu regnen. Es fehlten aber trotzdem 2 Dinge. Es gab keine großen Felder mit den verschiedenen Kohlsorten und ich konnte einfach kein Meer sehen. Meine letzte Hoffnung war Eemshaven. Ich vermutete, dass ich dort am Hafen endlich Wasser sehen könnte. Aber leider war auch dort alles verbaut. Ich konnte nur ein größeres Schiff hinter einer Lagerhalle entdecken.

Sonnenuntergang an der Küste

Direkt vor unserem Hotel standen 2 Personen am Straßenrand. Einer von beiden mit einer Kamera. Wir dachten, dass uns der Veranstalter „wiedergefunden“ hatte und nun Fotos von uns macht. Es stellte sich allerdings heraus, dass dies die Eltern von Erik Venneman, einem weiteren Fahrer in unserer Nähe, waren. Wir unterhielten uns kurz mit der Mutter, während der Vater weitere Fotos von uns machte. Genau in dem Moment kam Erik dann auch angefahren. Der Vater verpasste allerdings seinen eigenen Sohn, da er noch Bilder von uns machte. @Erik Venneman: Sorry. Wir zogen uns daraufhin höflich in unser Hotel zurück.

Die Räder übernachteten diesmal unter der Treppe. Der Weg zum Zimmer war nicht weit. Ich konnte also mehrfach laufen, bis ich alles was ich brauchte im Zimmer hatte. Da unsere Klamotten vom Regen noch nass waren, wuschen wir sie hier zum ersten Mal aus. Über Nacht drehten wir im Bad dann die Heizung voll auf und hofften darauf, dass die Kleidung am Morgen wieder trocken sein würde. Klappte nicht. Dafür hätte man für die miefige Luft im Bad einen Waffenschein beantragen können.

Auch an diesen Abend gab es wieder ein Zimmerpicknick, da es weit und breit kein Restaurant gab, welches so spät noch geöffnet hatte. Und auch beim Picknick versuchten wir Zeit zu sparen. Maren telefonierte während sie aß mit ihrem Freund. Schmiss dabei genüsslich Hackbällchen in ihren DoubleVla, einen Vanille-/Schokoladenpudding und aß es ohne mit der Wimper zu zucken auf. Ich dachte nur: WTF!

Zimmerpicknick Nummer 2!

Strava – Ich: https://www.strava.com/activities/2336983437

Strava – Maren: https://www.strava.com/activities/2337036554

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