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Teil 5: Der Kompass dreht und Norden ist, wo Süden war

Hier kommt nun also die Auflösung für das Problem mit den nassen Handschuhen. Ich packte sie mir einfach mit ins Bett. Am Fußende unter die Bettdecke, da störten sie am wenigsten. Und siehe da, am Morgen waren sie tatsächlich trocken. Ich war begeistert. So begeistert, dass ich die Idee gleich in mein Randonneur-Handbuch aufgenommen habe.

Eine weniger gute Idee war es, direkt nach dem Aufstehen den Vla zu essen, der vom Zimmerpicknick übrig geblieben ist. Maren? Warum ist da überhaupt etwas übrig geblieben? Jedenfalls vertrage ich Milchprodukte nicht sehr gut. Gerade in Kombination mit Fett habe ich oft Probleme. Ich dachte jedenfalls, dass das schon gut gehen würde.

Der Wind hatte über Nacht gedreht und kam nun aus Richtung Norden. Also wieder Gegenwind. Von Amsterdam bis nach Den Helder. Wieder über 100km. Zusätzlich waren noch Regenschauer vorhergesagt. Wir wollten es ruhig angehen und versuchen, die kurzen Regenphasen durch geschickte Pausen zu vermeiden.

Bei dem ersten kurzen Stopp holten wir das nach, was ich auf unserer Usedom Vorbereitungstour vergessen hatte. Ich stellte mich in den Wind, hob mein Rad ein wenig an und liess von Maren ein Foto davon machen. Schon beeindruckend, wie der Wind das beladene Rad zur Seite drückte.

Mein Rad im Wind

Kurz vor Amsterdam sahen wir dann auch die erste dicke fette Regenwolke vor uns. Wir konnten deutlich sehen, wie der Regen fiel. Also machten wir eine zweite Pause. Als ich vom Sattel aufstand, bemerkte ich ein ungutes Gefühl im Bauch. Ich bat Maren kurz mein Rad zu halten und verschwand hinter den Deich. Als ich wieder kam sagte ich nur: „Da wächst nun kein Gras mehr!“ Maren grinste. Blöder Vla am Morgen.

Amsterdam selbst gefiel mir nicht so recht. Wir fuhren über schmale Wege auf Deichkronen in Richtung der Stadt. Die Wege waren nicht sehr gut und durch den Regen lag dort eine Menge aufgeweichter Schafskot. Als die Wege dann endlich besser wurden, erwischte uns dann doch ein kleiner Regenschauer. Zum Glück mussten wir nicht ins Stadtzentrum. Der Track führte uns über Radwege an großen Straßen am Zentrum vorbei. Zum Fahren okay, aber nichts zum Gucken. Kurz hinter dem Ortsausgangsschild von Amsterdam wurde es dann wieder richtig schön.

Es ging über weitläufige Polderflächen, auf kleinen landwirtschaftlichen Wegen, weiter in Richtung Norden. Das war wieder wunderschön anzusehen. In Monnickendam war Markt. Dort konnten wir zwar nicht fahren, aber dafür konnten wir an einem Stand Brot mit verschiedenen Dips probieren. Lecker.

Unser nächstes Ziel, was ich auf der „Hier müssen wir unbedingt anhalten“-Liste hatte, war Irene Hoeve. Ein Hofladen bzw. Souvenirgeschäft, den ich bereits kannte. Dort machte ich vielleicht etwas kitschige Urlaubsfotos von Maren. Maren im Holzschuh, Maren mit Holzschuhen, Maren beim Holzschuh aussuchen … naja so typische Holland-Motive halt. Anschließend kauften wir uns dort noch 2 Sorten Käse und einen Hanf-Lutscher.

Keine 10km später dann schon die nächste Pause in Volendam. Dort verlief der Track direkt durch das Zentrum mit entsprechendem Trubel. Ich wusste, dass es dort voll werden würde, da in Amsterdam viele Tagestouren mit Bussen in diese berühmte Käsestadt angeboten werden. Wir wollten dort Mittag essen. Es gab wieder Fisch: holländischer Matjes im Brötchen und eine riesige Portion Kibbeling. Anschließend gönnten wir uns zum Nachtisch noch eine Portion Poffertjes. Damit waren zwei weitere kulinarische Highlights abgehakt. Als wir weiter wollten kam leider die nächste Regenwolke. Also verlängerten wir die Pause und Maren besuchte die Cheese Factory.

Fischbrötchen machen glücklich!

Der Track ging nun zu 100 Prozent nach Richtung Norden. Genau gegen den Wind. Wir kamen nur noch langsam voran, aber trotzdem war die Stimmung gut. Wir wussten ja, dass es ab Den Helder wieder nach Süden gehen würde. Das Ende des Gegenwindes war quasi absehbar.

Wir entdecken einen schönen kleinen Strand, den wir für eine weitere kleine Pause nutzten. Maren machte ein Panorama Foto und das brachte mich auf eine Idee. Sie sollte ein zweites machen und wunderte sich warum. Während sie die Aufnahme machte, rannte ich dann ein paar Mal hinter ihrem Rücken lang, so dass ich dann mehrfach auf dem Foto drauf war.

Schwachkopf hoch 3

Einen Moment später schepperte es. Der Wind hatte mein Rad umgeweht. Schaltwerk verbogen. Ich Depp hatte das Rad quer zum Wind abgestellt und dann auch noch die Schaltwerkseite nach außen. Anfängerfehler. Zum Glück ließ sich aber alles wieder richten und es ging weiter.

Es folgte ein letzter Regenschauer, bei dem wir uns bei einem Touristen-Informationszentrum unterstellten. Wir nutzen die Zwangspause und entschieden uns, bis wo wir fahren wollten. Sprich, wir reservierten unser Hotel. Wir wollten nach dem ganzen Gegenwind früher Schluss machen und am Abend etwas die „Halbzeit“ feiern. Zum ersten Mal waren wir beide innerhalb weniger Tage über 1000km mit dem Rad gefahren.

Als wir das IJsselmeer verliessen und in Richtung Den Helder fuhren bemerkte ich, dass mein Hintern etwas schmerzte. Nicht schlimm, aber so richtig lange in einer Position im Sattel bleiben ging nicht wirklich. Ich sagte Maren davon nichts. Aber sie wird es sicher bemerkt haben, denn meine Führungsarbeit wurde deutlich kürzer. Ich forderte sie öfters zum Wechsel auf.

Tulpenfeld kurz vor Den Helder

In einer letzten Pinkelpause quoll in meinem Kopf der Dummfug mal wieder über. Ich beschwerte mich bei Maren: „Wir könnten RATN gewinnen, da du wie ein Kerl Fahrrad fahren kannst. Verlieren aber trotzdem, da du wie ein Mädchen pinkelst.“ Auch darüber konnte Maren lachen. Sie versprach mir daran zu arbeiten und ich versprach ihr, bei unserem nächsten Bike Packing Adventure ebenfalls wie ein Mädchen zu pinkeln. Ich weiß jetzt zwar nicht wie Maren schneller werden will, aber bei mir wird das sicher lustig aussehen.

Kurz vor Den Helder war mir dann alles egal. Gegenwind, Regen, Sitzprobleme … alles egal. Wir waren nun genau dort, wo ich meinen ersten Familienurlaub in den Niederlanden verbracht hatte. Mir kam jede Straße, jede Kreuzung bekannt vor. Ich erinnerte mich an die Momente zurück, wie ich meine kleine Tochter dort mit dem Kinderwagen lang geschoben hatte. Wie sie sich an ihren ersten Worten versuchte. Das motivierte mich, ich ließ keinen Wechsel mehr zu und fuhr die restlichen Kilometer vorne im Wind.

Es folgte ein wunderschöner Abschnitt vorne am Meer. Kein Deich mehr, der den Blick versperrte. Wir konnten die beiden Texelfähren und natürlich auch die Insel sehen. Der Wind war dort natürlich noch einmal richtig heftig, aber trotzdem machten wir gefühlt etwa 3 Millionen Bilder.

Olaf, der hässliches Hund der Welt, war auch mit in NL

Und dann ging es Richtung Süden. Wir rollten mit über 30kmh durch die Landschaft, die sich komplett verändert hatte. Wir sahen nun große und kleine Dünen. Aus den Schafen vom Deich waren nun wildlebende Hasen geworden. Wir hatten nur noch wenige Kilometer bis zum Hotel.

Da die Stimmung so gut war und wir auch gut in der Zeit lagen, entschieden wir uns für eine weitere Pause. Wenn man weiß, wo man übernachten wird, ist es ja komplett egal wie schnell man dorthin fährt. Wir machten genau dort Pause, wo ich öfters mit meiner Familie an den Strand gegangen bin: einem Imbiss in Julianadorp. Dort aßen wir jeder eine Frikandel und eine „Van Dobben-Krokette“. Noch einmal zwei kulinarische Highlights abgearbeitet.

Direkt in dem Ort, in dem unser Hotel lag, kauften wir im Supermarkt für unser Zimmerpicknick ein. Zur Feier des Tages wegen der erreichten 1000 Kilometer diesmal mit einer Flasche Rotwein. Neben den üblichen Sachen gab es dazu Brot und den Käse von Irene Hoeve. Durch Zufall durften unsere Räder mitfeiern, denn sie bekamen einen luxuriösen Stellplatz in einer Tiefgarage. Einzig die Anwesenheit von so Rädern mit Motor, die mit Kabeln an der Wand befestigt waren, war unseren Rennrädern nicht ganz geheuer.

Vielleicht lag es am Rotwein, ich fühlte mich an dem Abend jedenfalls merklich befreit. Der Druck irgendetwas erreichen zu wollen war weg. Klar wollte ich immer noch ins Ziel kommen, aber die erreichten 1000 Kilometer waren etwas worauf ich stolz sein konnte. Gerade jetzt wo wir bemerkten, das einige Fahrer mit denen wir mehr oder weniger Kontakt hatten, aufgeben mussten.

Beim Zimmerpicknick versuchte ich mich, wie Maren es mit dem Hackbällchen Vla vorgemacht hatte, auch an komischen Essenskombinationen. Schokolade mit Senf. Ananas mit Filet American-Dip. Irgendwie schmeckte das dann doch alles.

Zimmerpicknick

Strava – Ich: https://www.strava.com/activities/2341913752

Strava – Maren: https://www.strava.com/activities/2341892797

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